Es soll ja Fälle geben, in denen man bereits als Holzwurm auf die Welt kommt, bei meinem ist es allerdings nicht so gewesen - ok, zumindest nicht ganz. Mein Holzwurm ist eigentlich Physiker und Ingenieur, der immerhin die Liebe zum Holz und auch das Talent dafür mitgebracht und sich im Lauf seines Lebens viele Kenntnisse angeeignet hat.
All das hier wäre niemals passiert, wenn ich, der die Liebe zu Wolle und Stricknadeln in die Wiege gelegt worden ist, nicht eines schönen Tages auf die Idee gekommen wäre, meine eigene Wolle zu spinnen.
Gedacht, getan, die Handspindelphase verlief rundrum positiv, also nahmen die Dinge ihren Lauf und ich kaufte mir als nächstes ein Spinnrad. Das war so ein klassisches Anfängerteil, was zwar fürs erste seinen Zweck erfüllte, meinem noch-nicht-Holzwurm aber überhaupt nicht gefallen hat. "Das Design ist schon etwas mickrig", hatte er gemeint, "und da gäbe es auch noch die eine oder andere Funktion, die es eigentlich haben sollte."
Doch zunächst war ich mit meinem neuen Rad sehr zufrieden, nur die Verzwirnfunktion fand ich ziemlich unbrauchbar. Also habe ich meinen handwerklich sehr begabten noch-nicht-Holzwurm gebeten, mir eine Lazy Kate zu bauen. Ich erklärte ihm genau, worauf es dabei ankommt und was ich haben wollte, und der nun-schon-beinahe-Holzwurm machte sich daran, alles umzusetzen.
Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen, deswegen wagte ich den schüchternen Vorschlag, ob Herr beinahe-schon-Holzwurm nicht vielleicht Lust hätte, zu versuchen, ein komplettes Spinnrad zu bauen, wenn ihm schon die Lazy Kate so viel Freude gemacht hatte. Dazu kam, daß Herr beinahe-schon-Holzwurm mittlerweile in Pension gegangen war und so langsam genug davon hatte, Computerprogramme zu schreiben. Eine sinnvolle, neue Beschäftigung, die auch noch Spaß machte, war deswegen mehr als willkommen.
Herr Holzwurm war glücklich mit seiner neuen Tätigkeit, er ging daran, ein wunderschönes Design zu entwerfen und in monatelanger Kleinarbeit mit jeder Menge try & error entstand der Prototyp unseres Samhain-Spinnrads. Das ist jetzt fünf Jahre her, und statt einer kleinen Wohnung mit Hobbyraum bewohnen wir inzwischen eine Werkstatt mit etwas Wohnung drum herum. Mit diesem allerersten Samhain-Rad spinne ich übrigens heute noch beinahe täglich, von feinstem Lace bis hin zu kräftiger Pulloverwolle ist da alles möglich.
Der Bau eines Spinnrades stellt höchste Anforderungen, wie wir nach und nach gelernt haben, was aber einem Perfektionisten, wie Herr Holzwurm einer ist, sehr entgegenkommt. Allerdings musste auch hochwertiges Präzisionswerkzeug angeschafft werden, denn mit dem normalen ‚Spielzeug‘ aus dem Baumarkt kommt man hier nicht weit.
Mittlerweile sind unsere Räder ziemlich ausgereift, jedes einzelne ist liebevoll von Hand gebaut und wird von mir ausführlich getestet. Der Holzwurm platzt nach wie vor schier vor neuen Ideen - und ich habe mich so langsam auch dran gewöhnt, daß das Sägemehl bei uns allgegenwärtig ist.
H